Bauprojekt "Modellturbine"



     
 

Ein Bericht von Tobias Schneider

Wie es dazu kam

Wir drei – Benjamin R., Selim S. und Tobias S. - waren Polymechaniker Lehrlinge im zweiten Lehrjahr der WIFAG Maschinenfabrik AG in Bern. Die Idee, eine Modellturbine zu bauen, entstand während der Pause im Klassenzimmer unseres Triebwerk-begeisterten Berufsschullehrers. Dazu kam wohl noch der Reiz, den selbstgebauten Sternmotor zu toppen, der in der Lehrlingsabteilung der WIFAG ausgestellt ist.

Gleich wurde das Buch „Modellturbinen im Eigenbau“ von Kurt Schreckling bestellt. Als Vorprojekt bauten wir aber zuerst das deutlich einfachere Pulsotriebwerk. Bei Eiseskälte und nach drei Stunden Probieren in einem Burgdorfer Lokschuppen, sprang das Pulso endlich an und lief, bis das Flatterventil den Geist auf gab. Der Ohrenbetäubende Lärm kam nicht bei allen Dampfbahnfreunden gut an; aber wir hatten riesig Spaß.

Einmal Kerosin gerochen…

Das Pulso lief also. Die Entscheidung, nun mit dem Projekt Modellturbine zu starten, haben wir dem BEO Jet Team (Daniel u. René Spieler) zu verdanken. Sie begeisterten uns durch die Vorführung ihrer Eigenbauturbine. Nun hatten wir eine erste Anlaufstelle bei Fragen, die uns das schon ziemlich veraltete Buch nicht immer beantworten konnte. Auch im Internet waren nicht viele nützliche Informationen über den Bau der Turbine zu finden; nur viel Gebastel. Mit Basteln gab man sich nicht zufrieden. Das Triebwerk sollte qualitativ was hergeben. Beim Kauf des Turbinenleitsystems lernten wir mit viel Glück „den“ Turbinenexperten schlechthin kennen. Dieter Albisser betreibt seine eigene Firma in Kleindöttingen AG (www.jetmax.ch) und fertigt diverse Turbinenteile sowie Aufträge für die Industrie im Bereich Feinmechanik. Er gab uns viele Tipps, wuchtete den Rotor und unterstützte uns beim Testlauf.

Zum Bau

Das Ziel waren drei gut funktionierende Turbinen. Zudem wollte man soweit möglich, alle Teile selbst herstellen. Denn Teile kaufen und montieren kann jeder. Außer Turbinenrad, Turbinenleitsystem, Verdichterrad und den gelaserten Brennkammerblechen, wurde alles selbst gefertigt. Bei der Fertigung kamen viele Fertigungsverfahren zum Einsatz: Drehen, Bohren und Fräsen, Einsatzhärten (Randschichthärten), Schleifen, Plasmaschweißen, Punktschweißen, Hartlöten, Drücken und Laminieren. Die meisten Verfahren waren uns nur aus dem Fachkundebuch bekannt. So konnten auch wertvolle Erfahrungen gesammelt werden.

Ein Polymechaniker mag bequeme Zeichnungen. Die Zeichnungen aus dem Buch waren leider nicht so benutzerfreundlich. So wurde eben das ganze Triebwerk mit CAD (Solidworks) neu gezeichnet. Dabei wurde auch vieles modifiziert. Die Lagervorspannung verlegte man vom hinteren zum vorderen Lager. Damit wird verhindert, dass bei Volllast der Läufer nach vorne gezogen und die Turbine beschädigt wird. Mit der CFK-Haube und dem Anlasser, bekam die Turbine ein stilvolles Design. Bei Solidworks ist die Basis ein 3D-Modell. Das ist nicht nur einfach zu modellieren, sondern sieht auch noch gut aus. Vom 3D-Modell kann dann eine 2D-Zeichnung abgeleitet werden. Je nach Teil erstellten wir mehrere fertigungsspezifische Zeichnungen.

Die Modellturbine

Das Prinzip ist nicht anders als bei einem Ottomotor: Ansaugen, Verdichten, Zünden und Ausstoßen. Einfach mit kontinuierlicher Durchströmung.

Die Luft wird vom Radialverdichter angesogen, durch das Verdichterleitsystem verdichtet und kommt in den Brennkammerraum geleitet. Die Brennkammer wird von allen Seiten mit vergleichsweise kühler Luft umströmt, um diese zu kühlen. Durch die vielen Löcher gelangt die Luft in den Brennraum. Unsere Turbine besitzt neun Sticks. Von der Verteilerleitung her wird Kraftstoff eingespritzt. Dieser verdampft in den Sticks und verbrennt im vorderen Teil der Brennkammer. Es ist eine dauernde Flamme im Gegensatz zum Verbrennungsmotor. Durch die Flamme wird die Luft stark erhitzt und expandiert. Als Ausweg bleibt nur die Düse, welche die Luft nochmals stark beschleunigt. Dazwischen befindet sich das Turbinenrad mit dem Turbinenleitsystem. Das Turbinenrad treibt wiederum über die Welle, das Verdichterrad an. Somit wäre der Kreislauf geschlossen. Zur Schmierung der Lager wird nach dem Verdichter Luft abgezweigt, die einen minimalen Anteil Kraftstoff zerstäubt und durch die Lager leitet. Eine Glühkerze zündet zum Start das sogenannte Hilfsgas (Propan), bevor Kerosin eingespritzt wird. Das ist an sich eine schon veraltete Methode. Neu gibt’s den Kerosinstart mittels spezieller Zündkerze. Während des Betriebes sind die Glühkerzen übrigens ausgeschaltet.

Geregelt wird die Turbine mit der Elektronik. Mit Hilfe der Drehzahl und der Abgastemperatur steuert sie die Kraftstoffpumpe, das Gas- und Kerosinventil, den Anlasser und die Glühkerze. Damit garantiert die ECU einen bequemen und fast immer reibungslosen Betrieb. Mehr Informationen zur Elektronik auf: www.projet-ecu.de

Technische Daten:

Standschub: 80N
Drehzahl: 35‘000-120‘000 1/min
Abgastemperatur: 530°C – 650°C
Max. Verbrauch: ca. 250 ml/min
Gewicht mit Anlasser, ohne Elektronik: 1,400 kg

Das Projekt zog sich schließlich über mehr als zwei Jahre hin. Zahlreiche Überstunden, Samstage und Ferientage wurden geopfert. Zwischendurch gab es auch das ein oder andere Motivationstief. Speziell zu danken ist den entsprechenden Abteilungen der WIFAG für die Bereitstellung der Maschinen und das Dulden des ständigen „Privätelen“, wie wir immer so schön sagten. Dann, pünktlich zum Lehrabschluss waren die drei Turbinen endlich fertig! Nur der Anlasser ist noch nicht praxistauglich; an einer Problemlösung wird noch gearbeitet. Zur Veredelung werden zudem das Gehäuse noch vernickelt und Aluminiumteile eloxiert.

Das Projekt wird in der Fotodokumentation genauer beschrieben:

Bei Fragen oder Anmerkungen wenden sie sich bitte an Tobias Schneider: